Freitag, 9. Februar 2007

das buch zum mißerfolg - warum?

Hartmut R. Weyfeuer
Hitlers Armbandbärtchen
Hyperbel-Verlag Dietzkirchen
Dietzkirchen-Wien-Budapest 2004
155 Seiten
ISBN 0-1418-3345-0
12,80 €

ein subversives undercoverbuch, das zeithistoriker noch rund 35 jahre nach seiner vermuteten einstampfung immer noch zu tränen rührt. dieser hocherotische roman, vermeintlich 1967 in einer berliner studentenbude im lsd selbstversuch verfasst, beschreibt auf der grundlage ins gotische translierter wehrmachtberichte die unglaubliche lebensgeschichte der carlotta maria vogelsack, die als letzte mätresse des deutschen diktators im mai 1945 ihren russischen verfolgern entkommt, um das letzte erbstück ihres verbrecherischen geliebten, das armbandbärtchen, ins sichere argentinien zu entführen. Dort ist sie als doublette des führers regelmäßig auf den titelblättern von penthouse, hustler oder den st. pauli nachrichten - ortsausgabe buenos aires - zu sehen und beschreitet eine beispiellose karriere im noch jungen porno-business lateinamerikas. nebenbei erfindet sie den gangbang und verhilft der argentinischen provinz argoyysuadiz damit zu touristendollars. hartmut r. weyfeuer analysiert anhand vogelsacks biographie gnadenlos die mechanismen der deutschen nachkriegsgesellschaft und demonstriert hartnäckig das beharrungsvermögen seiner eigenen ins argentinische translozierten fixen ideen ebenso wie die verklemmtheit und prüderie der wirtschaftswunderjahre. (Hyperbel-Verlag)

wie immer, wenn weyfeuer seinen weltekel in witzsalven herausschleudert, bleibt kein auge heil, kein zwerchfell unverschont: ein muss für alle, die schon immer alles gründlich wissen wollten.

fazz, 29. Februar 2005


weyfeuer ist eine herausforderung, manche behaupten eine zumutung. sein auftritt beim klagenfurter bachmannpreis 2001 war legendär, seine capricen bei verlegern und buchhändlern gefürchtet: sein witz aber ist unverwechselbar.

neue literatour wien, 22. Oktober 2004

Montag, 5. Februar 2007

Er hat es getan. Der deutsche buchhandel staunt, die fachpresse ist entnervt, antiquare und sammler überfordert: wie konnte das passieren? hartmut r. weyfeuers vermutlich erfolglosestes werk ist wieder im remittenden-versand erhältlich: "Hitlers Armbandbärtchen".

Demnächst:
hartmut r. weyfeuer im interview "Warum ich leberwurst liebe und weitere politische bekenntnisse"

Sonntag, 4. Februar 2007

einheit im bruch


glas sprengt alle formen
im nu glänzt eitles herzwärts unbebaut
asphaltgeruch nässt schwelend deine haut
symposion von pilzgerichten
eingeweckt im blauen grund
es dümpelt dort und
schmerzumfangen
nacht für nacht im dschungel eingebrannt
ein langer trost in wehen wipfeln
philippe starb heute ungekannt
ein schuss traf ihn
im fenster der vernunft
klafft nun ein loch
och
raunt da ein chor aus witwen
schwarzumrändert schwere lust
es glänzt das glas
am abgrund splitternd heiter
einheit im ganzen hofft es klirrend weiter noch bis zum
allerletzten broch

trunkene sehnsucht april april

das letzte glüht
die wangen des tankwarts sind leer
ich küsse den kolben
es lechzt der güldene mond
im kälberstall herrscht ruhe
aber wie lange noch
trinke ich von deinen lippen
nektar und ambrosia?
es geht was um die häuser, mein freund
unbebrillt
nächtelang
ostwärts
ostwärts
bis scharbeutz

Über mich

Ich liebe mich. Einfach: Darum.Das Leben will niedergeschrieben sein. Und so will ich es halten. Der Zorn, die Lust, die Freude , die sentimentale Geste der Dankbarkeit am Bahnhofskiosk, wenn Gekühltes der Lieblingsbiermarke vorrätig ist.
Es nieselt. Der Winter ist nicht mehr Winter und die Frauen tragen selten noch pelzene Zierde.
Es ist warm und ich bin blank wie der berühmte wilde, stürmische Hans.
Wozu das Leben? Wozu Literatur?
Weiland schrieb Petronius, kurz bevor er den Freitod starb,
"quam quobiscum erat sententiam meam, in aurora funzibus esse maximus delictalibus".
Ich hielt mich dran. Immer. Deshalb ging ich meinen Weg bis heute - unverstellt.
Denn "Ich" ist kein Anderer:


1964 unter dem Namen Heinrich Richard Maria Vogler in Grevenbroich geboren. Ich war eine Hausgeburt.
Meine Eltern aber lebten in wilder Ehe und stürzten sich 1968 in die Kölner Kommune "Che Guevara Potentas y Mammas di Libertinage".
Ich habe Sie nie wiedergesehen.

1968-1982: bei den Großeltern aufgewachsen. Mein Großvater betrieb eine Manufaktur für Sanitärprodukte an der Düsseldorfer Straße. Ich war nie angepasst und schrieb gegen den linken Zeitgeist. Erste literarische Versuche, die jede Einflussnahme leugneten: "Der Brummkreisel bewegt die Revolution", "Schweinefleisch für Petra Kelly", "Autopoesis oder grünkarierte Kotze im Bundestag", Leitung der Schülerzeitschrift "Der Störfunker", die nach einer Ausgabe wegen groben Unfugs eingestellt wird.

1982 Abiturversuch, Umsiedlung nach Köln
1983 erste Drogenerfahrungen. Im gleichen Jahr trete ich als Oboist in der Punkrockband "Lächelnde Atomrotzkiller" auf.
1984 Anstellung als Lektor im Analphabesis-Verlag Köln-Ehrenfeld
1985 Privatinsolvenz
1986 Nach einem Wohnungsbrand und Wiederfinden der ersten Entwürfe, Erscheinen des Gedichtbandes "Krampfhennen westwärts" unter dem Pseudonym Hartmut R. Weyfeuer. Ich hatte mich gefunden.

Und stiehlt/
Euch Kapital/ die
rote Sauce/
glänzt Hosen/
einwärts
nackte Gier/
lehnt Euch zurück in Muße/ und
trinkt ein fettes Feierabendbier"

Die linke Bundesrepublik war entzweit über mich, ich war es auch und der rechte Mob formierte sich wieder. Ich hielt dagegen mit Terzinen und Sonetten und soff weiter. Als Stadtschreiber von Rheinbickesdorf /Pfalz zeriss ich das vierbändige Prosawerk "Scherbenschreck bei Manaus" in mehr als tausend Stücke. Die Lokalpresse war entgeistert. Mein Roman aber handelt von einem pfälzischen Auswanderer, der um 1920 nach Südamerika emigriert, bei Rio falsch abbiegt und einen Indianerstamm überfährt. Das Ozonloch wucherte. Ich beschloss mehr Schnaps zu trinken.

1989: Die Mauer öffnet sich. Ich lerne Pam aus Karl-Marx-Stadt kennen, aber nicht lieben. Bin ich frigide? Der sensible Gedichtband "Liebeswut im Pizzateig" bleibt wie meine Gefühle auf Seite 1 stecken. In meiner Phantasie bereise ich Bulgarien, Tschechien und Polen. Wunderschön!
1990: Mein Inter-Rail-Ticket ist abgelaufen. Grevenbroich sieht mich wieder.
1991:Verleihung des Büchnerpreises an Wolf Biermann. Ich habe ihn darum beneidet.
1992: Auf einer Bahnfahrt ins Schwäbische treffe ich beinahe Ernst Jünger, steige aber bei Biberach rechtzeitg um. Schicksal.
1990-2000: Ich studiere Medizin und später Psychotherapie. Unter dem Einfluss medzinischer Handbuchliteratur entstehen die "Lecktiones vulgata". Ich schäme mich dafür.
3. Juli 2001: Nach einer Therapiesitzung heile ich einen bekannten bayrischen Politiker und danach auch mich von zuviel Selbstkritik. Ich bin maßlos erleichtert.
2001: Der Bachmann-Preis geht an mir vorbei. Ich kotze ins Klagenfurter Auditorium.
2002 bis heute: Es könnte nicht besser gehen.
2004: Der große Roman erscheint. Noch vor dem filmischen Epos "Der Untergang" und Daniel Levys Hitler-Film, lege ich mit dem "Armbandbärtchen" Deutschland flach - auf das Freudsche Canapee. Wohin auch sonst? Ich bin aufgeregt und Reich-Ranicki irritiert über Frau Löffler. Kann das alles gewesen sein?
Februar 2007: Ich beschließe hier zu schreiben